Berufsrecht: Gutachten, Stellungnahmen und Bescheinigungen auf Wunsch - Das müssen Sie beachten

Vor wenigen Tagen fand die erste Veranstaltung der online-Fortbildungsreihe „Fokus Berufsrecht und Berufsethik“ statt. Über 400 Kolleginnen und Kollegen frischten ihr Wissen zu den Themen „Gutachten, Stellungnahmen und Bescheinigungen“ auf.
Im Nachgang sprachen wir mit einer der Referentinnen der Fortbildung, Frau Margitta Wonneberger über die vielen Fragen und Anliegen, die die Teilnehmenden äußerten. In der nächsten Zeit werden wir diese sukzessive aufgreifen, für Sie beantworten oder Informationen zur Verfügung stellen.
Zunächst kristallisierte sich doch ein Fall besonders heraus: Im Berufsalltag werden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten häufig mit der Bitte konfrontiert, Bescheinigungen oder Stellungnahmen für ihre Patienten zu verfassen.
Frage: Frau Wonneberger, was auf den ersten Blick nach einem freundlichen Entgegenkommen seitens der Therapeutin, des Therapeuten aussieht, kann jedoch schnell komplex werden. In welchem Spannungsfeld bewegen sich Psychotherapeuten bei dieser Frage?
Margitta Wonneberger: Wenn Patientinnen und Patienten den Wunsch nach bestimmten Bescheinigungen, Stellungnahmen oder Attesten äußern, ist sorgfältig zu prüfen, was aus fachlicher Sicht der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten vertretbar ist. Dabei gilt es auch abzuwägen, ob der Wunsch des Patienten aufgrund des Anliegens oder aus therapeutischen Gründen sogar berechtigt sein kann.
Gleichzeitig ist eine klare Abgrenzung gegenüber Gefälligkeitsbescheinigungen erforderlich. Die bestehenden Sorgfaltspflichten müssen jederzeit beachtet werden. Dies erfordert mitunter auch die Bereitschaft, Patientinnen und Patienten offen und transparent zu vermitteln, dass bestimmte Bescheinigungen nicht ausgestellt werden. Eine nachvollziehbare Begründung und sachliche Information für die Patienten sind dabei unerlässlich.
In diesem Spannungsfeld zwischen fachlicher Verantwortung und patientenseitigen Erwartungen bewegt sich die therapeutische Praxis.
Margitta Wonneberger ist niedergelassene Psychologische Psychotherapeutin mit Praxis in Taucha bei Leipzig. Als Lehranalytikerin ist sie am Sächsischen Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie tätig. Seit 2007 gehört sie der Kammerversammlung an, seit 2011 ist sie Vorstandsmitglied der OPK. In dieser Funktion engagiert sie sich im Ausschuss für Berufsordnung, Berufsethik, Schlichtung sowie Satzungsfragen.
Frage: Wie kann man verhindern, dass sich ein Ablehnen des Patientenwunsches negativ auf die Patienten-Therapeuten-Beziehung auswirkt? Ist ein offensiver, ehrlicher Umgang zu empfehlen?
Margitta Wonneberger: Auf jeden Fall würde ich meine Ablehnung eines Patientenwunsches immer offen ansprechen und fachlich begründen. Das verhindert meistens, dass es zu nachhaltigen Konflikten in der Beziehung kommt. Es hilft auch nicht, nur um einen Konflikt aus dem Weg zu gehen, eine solche Bescheinigung auszustellen.
Frage: Was sollten Psychotherapeuten grundsätzlich gegenüber den Ansprüchen/Wünschen von Patienten berufsrechtlich abwägen? Ist das auch zu dokumentieren?
Margitta Wonneberger: Wenn Patienten bereits in Behandlung sind, sind solche Wünsche zu dokumentieren. Und auch, wie die Entscheidung des Therapeuten dazu ausgefallen ist. Ist der Wunsch abgelehnt worden oder ist nach dem Wunsch des Patienten eine Bescheinigung ausgestellt worden und warum.
Im Rahmen der Therapie greife ich persönlich solche Themen auf und bespreche sie. Daraus ergeben sich Fragen wie: Was hat das für Auswirkungen? Sind Patienten enttäuscht? Wie gehen sie mit diesem Ärger um? Das kann man gut im therapeutischen Prozess besprechen.
Frage: In der Fortbildung wurde außerdem eine große Unsicherheit zum Thema Indikationsschreiben in der Behandlung von Trans* Erwachsenen sowie Trans* Kindern und Jugendlichen durch Psychotherapeuten sichtbar. Was ist dazu unbedingt hervorzuheben?
Margitta Wonneberger: Auch bei diesen Behandlungen müssen wir natürlich beim Erstellen von Stellungnahmen und Indikationsstellungen die Sorgfaltspflichten und wissenschaftlichen Standards beachten.

Gerade unsere Berufsgruppen verfügen über die fachliche Expertise. Für den Kinder- und Jugendlichenbereich ist erst dieses Jahr die S2k-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter veröffentlicht worden, welche zentrale Handlungsempfehlungen bietet. Auch dieser Artikel im Psychotherapeutenjournal erläutert diese. Zu unseren Berufspflichten gehört auch die Fortbildungspflicht, d.h. als Psychotherapeutin bin ich verpflichtet, zur Aktualisierung und Entwicklung meiner fachlichen Kompetenz, mich regelmäßig fortzubilden.
Frage: Das Thema ist sehr komplex. Können Sie dazu eine Fortbildung empfehlen, die Psychotherapeuten mehr Sicherheit auf diesem Gebiet vermittelt?
Margitta Wonneberger: Ich kann das Web-Seminar „Raum für Vielfalt in der Therapie: Geschlechtsinkongruenz und -dysphorie im Kindes- und Jugendalter“ empfehlen. Die Onlineveranstaltung findet am 25. April 2026 statt und vermittelt praxisnahes Wissen zum respektvollen und sicheren Umgang mit trans* Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Die therapeutische Begleitung wird anhand konkreter Fallbeispiele vertieft. Raum für Fragen und zum Austausch wird es auf jeden Fall geben.
Es sind noch Plätze frei und hier ist Ihre Anmeldung möglich.
Die nächste Veranstaltung der Fortbildungsreihe “Fokus Berufsrecht und Ethik” findet am 21.01.2026 von 11.00 -12.30 Uhr zum Thema „Schweigepflicht“ statt. Melden Sie sich direkt an!

